Nino Erné
Shakespeares fragwürdige Gestalt
 
Walter Kliers Shakespeare-Komplott ist entlarvt, die jüngste Berufung gegen ein ehrwürdiges
Urteil abgelehnt, man kann den größten Dramatiker der Weltliteratur wieder einen guten
Mann aus Stratford am Avon sein lassen. Kann man wirklich? Oder lohnt es sich, weiterhin an
ihm zu zweifeln? Immerhin waren es nicht die Schlechtesten, die das bisher getan haben,
darunter Meister der Politik, der Schauspielkunst und auch der Literatur, also Kollegen, die das
Metier von innen her kennen.
Andrerseits, ist es vorstellbar, daß nun schon so lange ein geflickter Lumpenkönig auf
Shakespeares Thron sitzt? Wann immer ein neuer Name als Kronprätendent genannt wird,
heißt es mit höhnisch-mildem Lächeln: da drängt sich mal wieder jemand in die Schlagzeilen.
Ein harmloser Spatz! Doch der wird dann mit allen verfügbaren Kanonen beschossen. Er
seinerseits zwitschert, die orthodoxe Anglistik verschanze sich in ihrer Zitadelle, bange um ihre
Pfründe, fürchte sich vor weltweiter Blamage.
Der als „kleiner Schulmeister“ belächelte Thomas Looney gelangte vor mehr als 70 Jahren zu
der Überzeugung, jener Kaufmann von Stratford könne das Riesenwerk nicht geschaffen
haben. Und als er auf die Suche nach einem Menschen ging, der die Voraussetzungen dafür
mitbrächte, stieß er auf Edward de Vere, den 17. Earl of Oxford. Er starb im Glauben,
Shakespeare identified zu haben. Seinen Indizienprozeß führten andere weiter, zumal der letzte
Großmeister der „Oxfordianer“, Charlton Ogburn. In The Mysterious William Shakespeare von
1984, einem Epos, das noch in der gekürzten Paperbackausgabe fast 800 Seiten umfaßt, erhebt
auch er den Anspruch, er habe „the myth and the reality“ sauber getrennt. Allerdings schränkt
er ein, die Argumente für Edward de Vere als Shakespeare seien „nicht so überwältigend stark
wie die gegen Shakespeare, den Mann aus Stratford.“
Klier, dessen Buch „Das Shakespeare-Komplott“ in diesem Frühjahr erschien, gibt redlich zu,
daß sein „bescheidener Beitrag ohne Ogburns fundamentales Buch ganz undenkbar gewesen
wäre“. In der Tat haben seine Vorgänger einen Aktenberg einleuchtender Indizien aufgehäuft,
sich freilich auch in Nebenwegen, Sackgassen und gelegentlich grotesken Überspitzungen
verloren. Vor denen hat Klier sich weitgehend gehütet. Um so verwunderlicher ist der fast
einhellige Mangel an gutem Willen seiner Kritiker, ihm vorurteilslos zuzuhören. Da schlägt
kein Partisan irgendeines neuen Phantoms wild um sich; elegant, eher kühl, zuweilen fast
nüchtern trägt dieser jüngste Oxfordianer vor, was er lediglich für „die bessere Theorie“ hält.
Engagierte oder gar enragierte „Stratfordianer“ dagegen erklären es für längst bewiesen, daß der
Dichter Shakespeare mit einem Mann, der so ähnlich hieß, identisch war. Als hätte es nie die
Gepflogenheit des Pseudonyms gegeben. Eben darauf aber deutet die Trennung Shake-speare
auf dem Titelblatt der Sonette und auf dem Hamlet von 1603 hin. De Vere führte einen
speerschüttelnden Löwen in einem seiner Wappen, er war ein berühmter Lanzenstecher im
Turnier, und er hatte Grund und Sitz an einem der drei englischen Flüsse, die Avon heißen, so
daß er mit dem „süßen Schwan von Avon“ in Ben Jonsons spätem Preisgedicht gemeint sein
könnte – wenn auch wohl augenzwinkernd, wie es sich für eine Mystifikation gehört. Denn
jener William aus Stratford, behaupten kühn die Oxfordianer, diente als Strohmann.
Als er 1616 starb, krähte kein literarischer Hahn nach ihm, während sonst auch mittlere
Talente ihren nekrologischen Lorbeer erhielten. Er schrieb sich Shakspere oder sonstwie, nie
Shakespeare, und diese paar hingekrakelten Namenszüge sind alles, was wir von seiner Hand
besitzen. Dokumentarisch steht wenig fest, und das zeigt einen Kaufmann, der unerbittlich
Schulden eintrieb, sich womöglich vor Steuern drückte und das Testament eines neureichen
Spießers hinterließ.
Aus viel späterer Gerüchteküche, wenn nicht dem Urquell Phantasie, stammen die in Schulbü-
chern so beliebten Geschichten wie die vom Wilddieb oder dem Pferdehalten des jungen
Mannes vor einem Londoner Theater. Bezeugt ist die frühe Heirat mit Kindersegen, für den ja
gesorgt werden mußte. Der stratfordianische Versuch, die damaligen Schulverhältnisse in
diesem Dorf aufzuwerten, steht auf mehr als wackligen Beinen.
Über Shakespeares Erziehung und literarische Reputation bis zum 30. Lebensjahr schreibt einer
der besten orthodoxen Forscher, Edmund K. Chambers, in seinem Standardwerk William
Shakespeare, A Study of Facts and Problems von 1930: „Nach aller sorgfältigen Untersuchung der
Hinweise und aller geduldigen Abwägung der Möglichkeiten kann das letzte Wort in einem
verantwortungsbewußten Studium nur sein, daß wir nichts wissen.“ Anderen, die es sich
leichter machen, hilft der Glaube an das Genie, das sich alles, was es braucht, aus der eigenen
Brust herauf und vom Himmel herunterholt. Außerdem machen sie aus der Not jener
siebenjährigen Lücke, während der ihr Mann überhaupt kein Lebenszeichen gab, eine Tugend:
ebendies waren Wilhelm Shakespeares Lehrjahre.
„The great Oxford“, wie er von Zeitgenossen genannt wurde, ist als ein Mensch mit soviel
Geist, Kenntnissen, literarischem Interesse und poetischer Praxis ausgewiesen, daß man ihm die
in den Stücken zum Ausdruck, manchmal Ausbruch kommenden Erfahrungen und das
umfangreichste Vokabular seiner Zeit durchaus zutrauen kann. Er hat an Elisabeths Hof
geglänzt, sich militärisch getummelt, Italien, Frankreich und Deutschland bereist, Werke befür-
und bevorwortet, die ihm gewidmet wurden und die Shakespeare anerkanntermaßen
beeinflußten.
Sein Sekretär John Lyly schrieb Lustspiele, die wie Vorstufen zu denen Shakespeares wirken,
und er hörte genau zu dem Zeitpunkt damit auf, als er Oxford nicht mehr diente. Der war ein
Theaterliebhaber, ein Theaternarr, er nahm die Literatur ernster, als seinesgleichen erlaubt war.
Damen und Herren „von Staat“ schrieben gelegentlich Verse, öffentliche Verbreitung aber,
„Vermarktung“, hätte ihre Namen befleckt. Auch Königin Elisabeth liebte Verkleidung und
Maske, Schauspielerei in jedem Sinne. Und außerdem erkannte sie in den eben erst
entstehenden öffentlichen Theatern eine bisher ungeahnte Propagandamöglichkeit. Aus später
entdeckten Briefen geht hervor, daß sie Edward de Vere ab 1586 – kurz vor dem nicht mehr
aufzuhaltenden Zusammenstoß mit Spanien – 1000 Pfund jährlich aus einem Reptilienfonds
angewiesen und bis zu ihrem Tod bezahlt hat.
Das war für die Zeit und für die eher knickerige Monarchin eine ungewöhnlich hohe Summe.
Und wofür? Daß Oxford ihrem Herzen nahestand, ergibt keine Erklärung, zumal die Glut
längst abgekühlt und von anderen Günstlingen neu und höher entfacht worden war. Seine
militärischen Dienste? In solchen Fällen bezahlten sich die Herren am Ende selbst, wie Francis
Drakes Kaperfahrten und Walter Raleighs amerikanische Erober-ungen zeigen; da bekam
umgekehrt Elisabeth ihren Anteil an der Beute.
Mit diesen Geldern, sagen die Oxfordianer, sollte de Vere das Theater in Schwung bringen,
Schauspieler und Autoren bezahlen, und vor allem den Rücken freihaben, um allein oder mit
Helfern Stücke zu schreiben, natürlich nicht unter seinem eigenen Namen. Und in der Tat:
vieles in Shakespeares Königsdramen wirkt patriotisch anfeuernd, allein das Heldenstück von
Heinrich V., was dessen Verfilmung durch Olivier noch im Zweiten Weltkrieg bewiesen hat.
Oder: daß Richard III. vom Autor zugunsten der Tudors entstellt worden ist, hat die
Geschichtsforschung aufgedeckt.
Gängeln ließ sich dieser große Herr allerdings nicht. Er war kein beflissener Beamter, sein
Charakterbild verrät Mut, Generosität, Leidenschaft, auch Hochmut, Jähzorn, Eigensinn und
Spottlust. Vieles aus seiner Feder pfiff auf die Politik, anderes wurde, zumal von [Francis]
Walsingham, dem Chef des Geheimdienstes, als regierungsunfreundlich, gar als rebellisch
eingestuft. Außerdem wagte es dieser Paradiesvogel, hochgestellten Personen am Hof eins
auszuwischen; jeder Eingeweihte erkannte sie deutlich in den durchsichtigen Kostümen, sogar
die Königin – und ihren allmächtigen ältesten Vertrauten, Lord Burghley.
Dieser William Cecil hat vierzig Jahre lang mit und neben Elisabeth den Staat regiert, wurde
aber erst als Fünfziger zum Baron geadelt. Um so mehr kam es ihm darauf an, die Tochter
Anne und damit Enkel und Urenkel in einer der ältesten Familien des Landes unterzubringen.
So war ihm der 17. Earl of Oxford als Schwiegersohn höchst erwünscht. Nur gab es mit ihm
schon bald mehr Ärger als Freude. Auf dem europäischen Festland umherschwärmend, verstieß
er öffentlich seine Frau, weil man ihm das Gerücht zugetragen hatte, ihr soeben geborenes Kind
sei nicht von ihm.
Später muß der eifersüchtige Ehemann seinen Jago wohl durchschaut haben, denn es kam zu
Versöhnung und Reue. Die arme Anne-Desdemona ist trotzdem allzu früh, womöglich an
gebrochenem Herzen, gestorben. Ihre einzige „Schuld“ dürfte die gewesen sein, daß sie ihrem
Vater als gehorsame Tochter vielleicht dies und das hinterbrachte. Wie es die der Ophelia war,
ihrem Hamlet nichts vom väterlichen Lauscher an der Wand verraten zu haben. Aber sonst,
„Haha, seid ihr tugendhaft?“
Erstaunlich oft geistert eine geschmähte, verstoßene, verleumdete weibliche Gestalt durch die
Stücke des Dichters Shakespeare: Viel Lärm um Nichts, Ende gut, alles gut, Cymbeline,
Wintermärchen, Maß für Maß. In Hamlet bringt sie sich um, in Othello wird sie ermordet. Und
so dünn wie dessen Verlobungstaschentuch ist die Motivation für all diese Eifersuchtsszenen.
Am Ende erklären sich diese reizenden Mädchen und Frauen, Hero, Helena, Mariana, im
Handumdrehen bereit, alles zu vergeben und dem Verleumder holdlächelnd die Hand zu
reichen. Würde sich der größte europäische Dramatiker solche Hopp-Hopp-Auflösungen
erlauben, wenn nicht die eigentliche Motivation in ihm selbst läge? Kein Zweifel, man darf von
einem Desdemona-Syndrom sprechen.
Gewiß, dieser Shakespeare hat unzählige Personen auf eine reale Bühne gestellt, er war ein
Renaissancemensch, kein zarter Lyriker zwischen Empfindsamkeit und Romantik, der
unentwegt im Auftrag Gottes sagt, was er leidet. Trotzdem, wenn ein Autor von einer fixen
Idee nicht mehr loskommt, findet doch wohl die Aufarbeitung eines ihn bedrängenden
Erlebnisses statt. Gut, aber kann der Stratforder dergleichen nicht auch erlebt haben? Natürlich
kann er, nur, wir wissen es nicht. Bei de Vere wissen wir es.
Auch von irgendwelchen Beziehungen Mr. Shakespeares zum englischen Hochadel finden sich
keine Spuren, wie sie etwa bei den zeitgenössischen Autoren Marlowe, Jonson oder Philip
Sidney greifbar sind. Der kränkliche Bürger Watteau war Liebkind in französischen Schlössern
und Salons, Boucher Hofmaler der Pompadour. Künstler verwirklichen zuweilen gerade das im
Werk, was ihnen das Leben vorenthält. Aber um genaue Kenntnisse kommen sie nicht herum.
Wer hat die russische Adelsgesellschaft besser dargestellt als der Graf Leo Tolstoi? Er lebte in
ihr und strebte aus ihr hinaus, gerade das ergab die schöpferische Spannung. Die Planeten um
Elisabeths Sonne hießen Leicester, Raleigh, Essex, Southampton, Derby, Rutland, Oxford...
Unter ihnen den Insider und zugleich Außenseiter zu suchen, der für Shakespeares Stücke alles
mitbrachte, was nötig war, scheint nicht so dumm und abwegig, wie die Stratfordianer
behaupten.
Ein Haupteinwand gegen die Oxford-Theorie wiegt weniger schwer, als es scheint. Edward de
Vere ist am 24. Juni 1604 gestorben. Wie kann er – wird triumphierend gefragt, die späteren
Stücke Macbeth, Antonius und Cleopatra, Troilus und Cressida, Der Sturm geschrieben haben?
Vielleicht kann oder könnte er doch. Denn zum einen gehört die „Chronologie“ der Werke zu
den schwierigsten, nur teilweise gelösten „problems“ der Shakespeare-Forschung.
Charlton Ogburn hat auf Chambers und andere, meist orthodoxe Gelehrte gestützt, über 40
Seiten hin Daten nebeneinandergestellt, die sich auf allgemeine Zeitereignisse, Edward de Vere,
„William Shakespeare“ und William Shakspere beziehen: von de Veres Geburt im April 1550
bis zur ersten Gesamtausgabe von 1623. Sie enthält bekanntlich 36 Stücke, von denen aber 20
nie zuvor publiziert wurden; Entstehung und Druck liegen oft weit auseinander. Und zweitens
läßt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Oxfords Schwiegersohn und dessen Bruder
mitgearbeitet und den Nachlaß schlecht und recht vollendet haben. Ihnen, dem Earl of
Montgomery und dem Earl of Pembroke, wurde die berühmte „First Folio“ gewidmet, was
bedeutet, daß sie das aufwendige Unternehmen höchstwahrscheinlich finanziert haben. Damit
war William Shakespeare kanonisiert.
Mit der Chronologie hat auch ein anderer „großer Herr“ zu schaffen, der einige jahrzehntelang
als Shakespeare gepriesen wurde, Graf Roger Rutland. Auf ihn trifft manche „Voraussetzung“
zu, die Looney bei Oxford fand: Studium, Kriegsdienst, Italienliebe, Reisen, uralte Familie,
hohe Stellung, Gunst und Ungunst der Herrschenden, Gefangenschaft, Verlust von Gütern
und Reichtum, eine Ehe, die zum Leidensweg für seine zarte Lady wurde.
Was den verherrlichten Geliebten der Sonette angeht, braucht man nur den älteren
Southampton durch den jüngeren Pembroke zu ersetzen – immer wieder stößt man auf
dieselben Namen. Aber, der 1576 geborene Rutland müßte seine ersten Stücke ungefähr mit 14
Jahren geschrieben haben, und für die vom Schmerz, der Resignation und dem Humor des
Alters gezeichneten Dichtungen wirkt er immer noch reichlich jung: Er starb mit 36 Jahren –
etwa wie Mozart, Rafael, Byron, Kleist. Ein absolut unmöglicher Kronprätendent ist er nicht.
Der früheste war Francis Bacon, Lord Burghleys Neffe, Hauptankläger seines Gönners Essex,
später Baron Verulam und Viscount St. Albans, Großsiegelbewahrer und Lordkanzler, geboren
1561, gestorben 1626, was zeitlich mühelos zu „Shakespeare“ passen würde.
Unbezweifelbar war er ein geschickter Jurist und weit vorausgreifender Gelehrter, Vorläufer
der modernen „Wissenschaftlichen Philosophie“, ein Meister des Essays. Aber auch ein
Dramatiker? Sein Lebenswerk und das Shakespeares dürften letztlich unvereinbar sein, wie
auch die Charaktere, die dahinterstehen.
Ein beliebter und gefürchteter Dramatiker war Christopher Marlowe, des Atheismus
verdächtig, der Homosexualität, ein streitbares Geisteslicht an der Universität und befreundet
mit dem Neffen des schon erwähnten Chef des Geheimdienstes. Calvin Hoffman hat 1955 in
The Man Who Was Shakespeare die These aufgestellt, Marlowe sei nicht, wie behauptet wird, bei
einer dubiosen Messerstecherei umgekommen, sondern mit Hilfe [Thomas] Walsinghams aufs
Festland geflohen und habe von dort aus Shakespeares Werke in die Welt gesetzt. Hoffmans
Ausgangspunkt ist der bestechende Umstand, daß Marlowe genau zu der Zeit verschwand, als
der Aufstieg Shakespeares begann. Und er stützt seine Beweisführung auf rund 200
Parallelstellen in den Versepen und Dramen der beiden Dichter.
Nun haben Autoren sich damals sehr viel ungenierter gegenseitig geplündert als heute. Und am
Ende überwiegt wohl doch der klare Eindruck, daß wir hier zwei verschiedene, wenn auch
verwandte Stimmen hören und der Autor des Juden von Malta nicht den Shylock im Kaufmann
von Venedig geschaffen hat, der des Tamerlan nicht den Macbeth.
Am ehesten könnten noch Eduard II. und Richard II. von der gleichen Hand stammen. Aber
warum hat Marlowe, wenn er Shakespeare war, sich bis zuletzt nie offen dazu bekannt? „Sag
mir deinen Grund, lieber Junker!“
Dieselbe Frage stellt sich bei allen, den Kaufmann von Stratford eingeschlossen. Die
Oxfordianer haben sich ausgiebig angestrengt, sie zu beantworten. Wer das nachprüfen will,
muß sich die Mühe machen, Ogburns Opus magnum durchzulesen, oder wenigstens die 200
Seiten von Klier.
Zum einen, heißt es da ähnlich wie bei Hoffman, enthält das Werk Shakespeares zahlreiche
Andeutungen: Ich bin nicht, was ich scheine. Und außerdem hat Edward de Vere sicherlich
auch unmittelbare Zeugnisse hinterlassen, nur wurden gerade diese verräterischen Papiere
vernichtet, von der Familie Cecil, erst dem Vater William, dann dem kaum weniger mächtigen
Sohn Robert. Die Nachkommenschaft sollte unbefleckt bleiben vom Ruch eines Ahnherrn, der
sich als Komödienschreiber gemein machte, einen König verhöhnte und auf Polonius mit dem
Finger wies.
Die Oxford-Theorie ist „die bessere“, aber auch sie legt keinen unumstößlichen Beweis vor.
Solange kein Szenenentwurf in de Veres Handschrift auftaucht, kein Narrenlied, kein Monolog
aus Julius Cäsar oder König Lear, auch nicht eine Zeile über seine Arbeit in einem Brief – so
lange werden wir mit dem Rätselraten zu keinem Ende kommen. Vielleicht versucht auch
wieder einmal jemand, seine Theorie, welche immer das sein mag, mit einer geschickten
Fälschung zu erhärten. Wie der Held in Oscar Wildes glanzvoller Essay-Novelle Das Bildnis des
Mr. W. H. scheinbar beweist, daß der Adressat der Sonette ein junger Schauspieler aus
Shakespeares Truppe gewesen sei.
Auch das Frontinspiz der First Folio ist ein Porträt, es soll Shakespeare darstellen. Man kann es
als Maske erkennen, und ließe die sich abnehmen, käme das ohnehin nicht unähnliche Gesicht
de Veres zum Vorschein, wie seine Zeitgenossen ihn gemalt haben. So behaupten die
Oxfordianer. Es ist das Antlitz Prosperos, der seinen Zauberstab zerbrochen hat. Stefano aber,
der Kujon, der Saufkopp, der Möchtegernkönig auf der Insel des Sturms, wäre dann natürlich
niemand anderer als Mr. Shakspere aus Stratford.